Steuerstrafrecht: Auch hier gelten objektive Maßstäbe

Zur Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß“ bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO:
Der Bundesgerichtshof (BGH, Az.: 1 StR 416/08) vertritt die Meinung, dass das Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO im Steuerstrafrecht wie beim Betrug nach objektiven Maßstäben zu bestimmen ist. Hiernach liegt das Merkmal nur dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro übersteigt.
Es ist nunmehr wie folgt zu unterscheiden:
a) Die Betragsgrenze von 50.000 Euro liegt dann vor, wenn jemand ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen, Umsatzsteuerkarusellen oder durch Kettengeschäfte. Hat dann der „Steuerbetrug“ zu einem „Vermögensverlust“ geführt, der diese Wertgrenze überschritten hat, dann ist das Merkmal erfüllt.
b) Werden jedoch die Finanzbehörden über steuererhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und führt dies lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann kann das „große Ausmaß“ höher angesetzt werden. Der BGH hält hier eine Wertgrenze von 100.000 Euro für angemessen.
Folglich beträgt im Steuerstrafrecht die maßgebliche Verjährungsfrist bei einer Hinterziehung je Veranlagungszeitraum von mehr als 100.000 Euro gemäß § 376 AO zehn Jahre. Dies ist bei der Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu beachten.
Der BGH vertritt die Auffassung, dass bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung das „Ausmaß“des jeweiligen Taterfolges zu addieren ist, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf.
Liegt nun im Steuerstrafrecht das Merkmal „in großem Ausmaß“ vor, so hat dies Auswirkungen auf die durch das Gericht zu findende Strafhöhe.
Bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag (mehr als 100.000 Euro) wird wohl die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. In der Regel erfolgt die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung!
Jedoch bei einem Hinterziehungsbetrag in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht.

Deshalb lassen Sie sich frühzeitig von einem im Steuerstrafrecht erfahrenen Rechtsanwalt beraten.