Notwehr bei Einsatz einer Schusswaffe auf flüchtenden Räuber?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden (BGH, Az.: 3 StR 199/15), dass demjenigen, der ohne vorherige Ankündigung von einer Schusswaffe Gebrauch macht und mit dieser einen Schuss in Höhe des Oberkörpers eines flüchtenden Räubers abgibt, nicht der Rechtfertigungsgrund nach §32 StGB zugutekommen soll, wenn er annimmt, der Flüchtende habe keine Beute bei sich.
Für die Notwehr gemäß §32 StGB ist bekanntermaßen nur dann raum, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind. Hierbei ist zwischen objektiven und subjektiven Kriterien zu unterscheiden. Im Hinblick auf das objektive Vorliegen einer Notwehrhandlung setzt §32 StGB die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung voraus. Der Schusswaffengebrauch ist damit nur dann möglich, wenn kein milderes Mittel, wie zum Beispiel der Schuss auf die Beine des flüchtenden Räubers, in Betracht käme. Ging das Opfer im Tatzeitpunkt weiterhin davon aus, der flüchtende Räuber hätte keine Beute erlangt, fehlt es zudem am erforderlichen Verteidigungswillen.
Dennoch ist festzuhalten, dass das Hausrecht grundsätzlich mit „schärferen Mitteln“ verteidigt werden darf, soweit es sich bei dem Angriff nicht um eine Bagatelle handelt (BGH, Az.: 3 StR 450/10). Eine Notwehr ist jedoch auch dann unzulässig z.B. mit einer Schusswaffe, wenn die mit der Verteidigung verbundene Beeinträchtigung des Angreifers in einem groben Missverhältnis zu Art und Umfang der aus dem Angriff drohenden Rechtsverletzung steht (BGH, Az.: 3 StR 450/10). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der flüchtende Räuber bereits im Begriff ist, das Haus beziehungsweise Grundstück fluchtartig zu verlassen und somit die Beendigung der Hausrechtsverletzung unmittelbar bevorsteht.
Weiterhin kommt auch hier die Annahme eines Erlaubnistatbestandsirrtums gemäß §16 I 1 StGB, welcher die Strafbarkeit wegen vorsätzlichen Handelns entfallen lassen könnte, nicht in Betracht, wenn der Inhaber des Hausrechts irrtümlich annimmt, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Schuss mit einer Schusswaffe in seine Richtung abgegeben wurde. Mithin wäre die Vorstellung eines gegenwärtigen Angriffs nicht gegeben.
Sollte sich das Opfer letztlich darauf berufen, es habe aus Furcht oder Schrecken den Schuss in Höhe des Oberkörpers des flüchtenden Räubers abgegeben, so würde auch hier kein schuldloses Handeln im Sinne des §33 StGB in Betracht kommen.