Scheinselbständigkeit-Harte Folgen bei gedankenloser Beauftragung

Das Ziel die Personalkosten durch die Schaffung scheinselbständiger Beschäftigungsverhältnisse zu senken, ist keine Lösung. Die strafrechtlichen, steuerrechtlichen, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Folgen können für beide Seiten schwerwiegend sein. Daher sollte das Risiko einer Aufdeckung auf keinen Fall als kalkulierbar oder hinnehmbar eingeschätzt werden. Gleichwohl gibt es Möglichkeiten, solche Beschäftigungsverhältnisse für beide Seiten akzeptabel zu begründen. Die Lösung besteht in einer sorgfältigen Gestaltung des Vertragsinhaltes. Dieser muss geprägt sein vom Wesen der Selbständigkeit. Dabei wird deren Intensität ganz wesentlich vom Grad der persönlichen Unabhängigkeit des beauftragten Unternehmers bestimmt.

1.Teil: Voraussetzungen eines scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnisses

Scheinselbständige Beschäftigungsverhältnisse können in Form von Werk- (§ 631 f. BGB), Dienst- (§ 611 f. BGB) und Geschäftsbesorgungsverträgen (§ 675 BGB) auftreten. Dabei hat sich der Werkvertrag als die am häufigsten auftretende Vertragsform hervorgehoben. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Werkvertrag. Gleichwohl sind unabhängig vom Vertragstyp die Voraussetzungen für das Vorliegen der Scheinselbständigkeit weitestgehend gleich.
Das Besondere am Werkvertrag ist, dass der beauftragte Unternehmer dem beauftragenden Unternehmer die Herstellung eines Werkes und somit einen konkreten Erfolg schuldet

[1]. Auf welche Weise der beauftragte Unternehmer diesen Erfolg herbeiführt, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Daraus folgt, dass er grundsätzlich selbständig und unabhängig über den Einsatz der Mittel verfügen kann, die er zur Herbeiführung des vertraglich festgesetzten Erfolges benötigt.
Im Gegensatz hierzu liegt ein scheinselbständiges Beschäftigungsverhältnis vor, wenn der beauftragte Unternehmer nach der Bezeichnung und dem Wortlaut seines Werkvertrages selbständig tätig ist, tatsächlich aber die Vertragsausführung durch den beauftragenden Unternehmer bestimmt oder wesentlich beeinflusst wird und somit tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorliegt.
Es ist daher festzustellen, dass das Wesen des Werkvertrages die Selbständigkeit des beauftragten Unternehmers voraussetzt und eines ihrer wesentlichen Elemente die persönliche Unabhängigkeit des Beauftragten ist.
Die Schwierigkeit besteht nun darin festzustellen, ab welchem Grad der Einmischung oder Weisung des Auftraggebers die persönliche Unabhängigkeit des Beauftragten soweit eingeschränkt ist, dass von einer scheinselbständigen Beschäftigung ausgegangen werden muss. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch der Auftraggeber auf die Vertragsdurchführung Einfluss nehmen kann und soll. Eine Möglichkeit dazu wäre die Kündigung gem. § 649 BGB, sollte der Beauftragte die Weisungen des Auftraggebers nicht beachten. Aber auch das Gewährleistungsrecht lässt gem. § 634 BGB Einflussmöglichkeiten des Auftraggebers zu. Diese Rechte des Auftraggebers wären nur schwer von den Weisungen einer Arbeitgebers zu unterscheiden und könnten bei zu oberflächlicher Betrachtung zu einer falschen Beurteilung eines selbständigen Beschäftigungsverhältnisses als scheinselbständig führen.
Aus diesem Grunde betonen die obersten Gerichte immer wieder, dass sich eine formelhafte Anwendung eines oder einiger Kriterien verbietet. Vielmehr sind diese im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung vor dem Hintergrund des Einzelfalles zur Entscheidung heranzuziehen.
Der Schwierigkeitsgrad eine eindeutige und nachvollziehbare Abgrenzung zu gewährleisten erhöht sich dadurch, dass verschiedene Rechtsgebiete berührt und somit auch verschiedene oberste Bundesgerichte zuständig sind. Daraus folgt eine nicht einheitliche unterschiedliche Definition des Begriffs Selbständigkeit.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht in der persönlichen Unabhängigkeit vom Auftraggeber das wesentliche Merkmal der Selbständigkeit. Persönlich unabhängig ist derjenige, der nicht in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingegliedert und weder in zeitlicher, noch in örtlicher und fachlicher Hinsicht den Weisungen des Auftraggebers unterworfen ist[2].

Einschränkend hat es in einer weiteren Entscheidung ergänzt, dass nicht der Vertragstext entscheidend ist, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertrages im Arbeitsalltag. Sollte es hier zu einer Abweichung kommen, dann ist immer die tatsächliche Ausführung maßgebend.
In die gleiche Richtung geht auch das Bundessozialgericht (BSG), das auf das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung abstellt. Auch hier ist bei bestehenden Abweichungen auf die tatsächliche Abwicklung des Vertrages abzustellen[3].
Für den Bundesfinanzhof (BFH) stellt das Unternehmerrisiko und die Unternehmerinitiative, die der beauftragende Unternehmer trägt, den Gradmesser der persönlichen Selbständigkeit dar[4]. Dabei stellt auch der BFH im Zweifel auf die tatsächliche Vertragsausführung ab.

Beim Vergleich der Definitionen der drei Bundesgerichte ist festzustellen, dass die steuerrechtliche Definition in einigen Fällen von der der arbeits- und sozialrechtlichen abweicht. Diese sind, so der BFH, für den steuerrechtlichen Bereich nicht maßgebend[5]. Damit bleibt festzuhalten, dass sich das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis im Wesentlichen mit dem arbeitsrechtlichen deckt[6], aber im Einzelfall Unterschiede zum Steuerrecht bestehen können.
Daraus resultiert auch eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit bei der Einschätzung, ob Scheinselbständigkeit vorliegt.

2.Teil: Vermeidung der Scheinselbständigkeit

Um zu verhindern, dass ein scheinselbständiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird ist es wichtig, bei der Vertragsverhandlung folgendes zu beachten:

1.Wesen der Selbständigkeit

Die persönliche Unabhängigkeit des Beauftragten ist ein wesentliches Element selbständiger Tätigkeit. Bei der Vertragsgestaltung sollte daher immer darauf geachtet werden, dass dieser Grundgedanke sich wie ein roter Faden durch den Vertrag zieht. Daraus folgt, dass die Auftragsausführung im Wesentlichen von den Effektivitätsüberlegungen des Beauftragten bestimmt wird und daher weitestgehend frei von der Einwirkung des Auftraggebers sein sollte.

2.Vertragliche Gestaltung

Der Vertragsinhalt sollte immer schriftlich fixiert werden, um im Streitfall eigene Ansprüche beweisen zu können. Dabei müssen die wesentlichen Vertragsbedingungen geregelt werden. Hierzu zählen insbesondere die Beschreibung der vom Beauftragten zu erbringenden Leistung und deren Entlohnung.
Als Schwierig erweist es sich dabei immer wieder, wenn die vom Beauftragten zu erbringende Leistung vertraglich festgelegt werden soll. Dabei wird die Intensität der vertraglichen Regelung durch zwei Positionen bestimmt. Die eine ist darauf beschränkt das Allernötigste in Kurzform schriftlich festzuhalten. Die andere Position ist eine jede Eventualität berücksichtigende Regelung über die Art und Weise der Leistungserbringung. Dabei ist zu beachten, dass sich gleichzeitig mit der Regelungsdichte des Vertrages auch der Eindruck verfestigt, hier werde der Beauftragte an die Kette gelegt. Seine persönliche Unabhängigkeit bei der Vertragsausführung über das erforderliche Maß hinaus beschränkt.
Das wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn es im Verantwortungsbereich des Beauftragten läge, seine Arbeitsmittel so einzusetzen, dass er mit dem geringsten Einsatz den maximalen Erfolg erzielen könnte. Dazu gehört auch, dass der Beauftragte über seine Arbeitszeit weitestgehend selbständig verfügen kann und nicht in den organisatorischen Arbeitsprozess des Auftraggebers integriert ist. Ein Indiz für eine derartige Integration ist, dass der Auftraggeber Arbeitsmittel kostenlos zur Verfügung stellt, die Tätigkeiten vom Beauftragten ausschließlich persönlich ausgeführt und entsprechend vom Auftraggeber kontrolliert werden. Im Gegensatz hierzu ist ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, dass der Beauftragte über ein eigenes Büro verfügt, jedenfalls aber ein häusliches Arbeitszimmer geltend macht, in dem er die anfallenden Verwaltungsarbeiten erledigen kann.
Neben dem Element der persönlichen Unabhängigkeit wird der Begriff der Selbständigkeit auch vom Unternehmerrisiko und der Unternehmerinitiative wesentlich geprägt. Dies bedeutet im äußersten Fall, dass der Beauftragte mit seinem gesamten Vermögen für eventuelle Fehler seines Handelns einstehen muss. Die persönliche Haftung ist daher ein wesentliches Kriterium zur Einordnung des Beauftragten als selbständigen Unternehmer. Dazu gehört auch, dass der Beauftragte im Falle von Krankheit oder eines Unfalles seine vertraglich versprochene Leistung erbringen muss. Sollte ihm dies nicht möglich sein, muss er für eine Alternative sorgen. Ist er dazu nicht in der Lage, besteht die Möglichkeit, dass der Auftraggeber vom Vertrag zurücktritt und/oder Schadenersatz fordert. Eine Regelung, die die Verpflichtung des Beauftragten beinhaltet, den Auftrag in einem solchen Falle an den Auftraggeber zurück zu geben oder den Auftraggeber über seine Verhinderung zu informieren, könnte den Anschein eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis begründen, mit der Folge der Feststellung von Scheinselbständigkeit.
Hinsichtlich der Vergütung als Hauptleistungspflicht des Werkvertrages ist zu beachten, dass pro Auftrag oder nach Rechnungsstellung abgerechnet wird. Daneben sollte es keine Regelungen hinsichtlich von Zusatzleistungen wie Gratifikationen, vermögenswirksame Leistungen, Urlaubsgeld, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, Spesen und dergleichen geben, denn diese begründen ebenfalls den Anschein einer scheinselbständigen Tätigkeit.

3.Öffentliche Darstellung der unternehmerischen Tätigkeit

Der selbständig tätige Unternehmer kann nicht wie ein Angestellter seine Arbeitskraft ausschließlich auf die Erfüllung seiner originären betrieblichen Tätigkeit reduzieren. Seine Tätigkeit ist vielfältiger. Zu ihr zählt in aller erster Linie die Akquise. Der Unternehmer muss das Ziel verfolgen, auf seine angebotene Leistung aufmerksam zu machen. Dazu gehört heutzutage selbstverständlich eine eigene Internetseite, auf der die Leistung optisch und inhaltlich ansprechend angeboten wird.
Des weiteren kann der Unternehmer durch Anzeigen in Zeitschriften oder Zeitungen oder durch das Verteilen von sogenannten Flyern seine selbständige Tätigkeit dokumentieren.
Ein weiteres Indiz gegen das Vorliegen einer scheinselbständigen Beschäftigung ist das Vorhandensein eines Firmenlogos beim Beauftragten. Ein solches trägt zur Etablierung des Unternehmens am Markt bei, da es den Wiedererkennungswert steigert und den Anschein einer langfristigen Teilnahme am Marktgeschehen in sich birgt.

4.Institutionelle Prüfung

Die Vertragsparteien können gem. § 7a SGB IV ein Statusfeststellungsverfahren durchführen lassen. Danach stellt die Behörde verbindlich fest, ob eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung vorliegt oder nicht. Dies ist allerding nur zu empfehlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis begründet wird. Sollte es schon über einen längeren Zeitraum bestehen, ist zu empfehlen einen Steuerberater oder einen Rechtsanwalt mit der Prüfung vorab zu beauftragen.

3.Teil: Rechtsfolgen eines scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnisses

Die Folgen eines scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnisses sind vielschichtig. Dabei können bis zu 4 verschiedene Rechtsgebiete betroffen sein. Hierzu zählen das Straf-, Steuer-, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht.

Von den Rechtsfolgen können sowohl der Unternehmer, der den Scheinselbständigen beschäftigt, als auch der Scheinselbständige selbst betroffen sein.
1.Beauftragender Unternehmer
a)
Strafrechtliche Konsequenzen
aa) 266a StGB Vorenthalten und Veruntreuen von Beiträgen zur Sozialversicherung.
Der Arbeitgeber, der der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.Vorliegend ist als Arbeitgeber der beauftragende Unternehmer zu bezeichnen, der einen Scheinselbständigen beschäftigt. Dessen Arbeitnehmeranteile werden der Sozialversicherung vorenthalten[7].
Die Höhe des der Sozialversicherung vorenthaltenen Beitrages richtet sich nach der Höhe des Arbeitsentgeltes, das gem. § 14 Abs.1 SGB IV die Bemessungsgrundlage bildet. Fällig sind die Beiträge gem. § 23 Abs.1 SGB IV jeweils zum 15. des der entgeltauslösenden Beschäftigung folgenden Monats.
Subjektiv muss der Unternehmer für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes vorsätzlich gehandelt haben[8]. Ein allgemeiner, zivilrechtlich (§ 276 BGB) begründeter Fahrlässigkeitsvorwurf, der Unternehmer hätte die strafrechtliche Relevanz seiner Tat vorhersehen oder vermeiden können oder müssen, reicht für eine Strafbarkeit aber nicht aus.

bb) § 266a StGB i.V.m. § 6 Abs.2 Nr. 3e GmbHG

Erfüllt der Geschäftsführer einer GmbH die oben unter aa) dargestellten objektiven und subjektiven Tatbestandvoraussetzungen des § 266a StGB und wird er zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt, gilt für den Zeitraum von 5 Jahren, ab Bestandskraft des Urteils, für ihn das Verbot, als Geschäftsführer einer GmbH tätig zu sein.

1.b) Steuerrechtliche Konsequenzen
1.aa) Steuerhinterziehung §§ 370 Abs.1 Nr.2 AO, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 15, 18 UStG

Eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. Nr.2 AO begeht, wer das Finanzamt pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Die Tat wird grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Unkenntnis des Finanzamtes resultiert aus der unrichtigen Umsatzsteuer-Voranmeldung, die der beauftragende Unternehmer gem. § 18 Abs.1 UStG jeweils bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums dem Finanzamt zu übermitteln hat.
Subjektiv muss der beauftragende Unternehmer gem. §§ 369 Abs.2 AO i.V.m. § 15 StGB mit Vorsatz gehandelt haben[9], wobei bedingter Vorsatz ausreicht[10]. Danach würde der beauftragende Unternehmer bereits vorsätzlich handeln, wenn er eine Entdeckung seiner unrichtigen Steueranmeldung bspw. im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung für möglich, aber wenig wahrscheinlich hält und sich mit dieser Konsequenz abfindet.
Hinweis: Dem Finanzamt gegenüber könnte argumentiert werden, dass sich der Scheinselbständige gem. 16 StGB in einem sog. Tatbestandirrtum befunden habe. Dieser schließt als Rechtsfolge die vorsätzliche Tatbegehung aus. Übrig bliebe noch Fahrlässigkeit, die gem. § 369 Abs.2 AO i.V.m. 15 StGB nicht strafbar ist. § 378 AO ist eine Bußgeld- und keine Strafvorschrift. Sie läge aber auch nur bei leichtfertiger und nicht schon bei bloß fahrlässiger Tatbegehung vor.

bb) Steuerhinterziehung §§ 370 Abs. 1 AO, §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19, 38 Abs. 1 und 3 S. 1 EStG

Grundsätzlich liegt keine Steuerhinterziehung des beauftragenden Unternehmers bzgl. der Abführung der Lohnsteuer des Scheinselbständigen vor.
Der beauftragende Unternehmer schuldet gem. § 42d Abs.1 Nr.1 EStG dem zuständigen Finanzamt zwar grundsätzlich die Lohnsteuer. Zu beachten ist aber hierbei, dass der beauftragte Unternehmer (scheinselbständig Tätige) gem. § 149 AO i.V.m. 25 Abs.3 EStG selbst verpflichtet ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben und so dem Finanzamt dessen Einkünfte mitzuteilen.

cc) Leichtfertige Steuerhinterziehung § 378 AO

Keine Strafbarkeit, aber eine Ordnungswidrigkeit begeht gem. § 378 AO der beauftragende Unternehmer, der den vorstehend genannten Tatbestand der Steuerhinterziehung leichtfertig verwirklicht. Die Ordnungswidrigkeit kann gem. § 378 Abs.2 AO mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 € geahndet werden.
Leichtfertigkeit stellt einen erhöhten Grad der Fahrlässigkeit dar. Danach handelt leichtfertig, wer nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen[11].
Wie oben bereits festgestellt hängt eine Strafbarkeit vom Vorsatz ab. Kann dieser nicht in seiner schwächsten Ausprägung als bedingter Vorsatz festgestellt werden, bliebe die Prüfung der Tat im Lichte einer leichtfertigen Begehung, wobei die Grenze zwischen den Begriffspaaren fließend ist. Danach träfe den beauftragenden Unternehmer bei Zweifeln eine weitreichende Erkundigungspflicht.

dd)Selbstanzeige und Verjährung

Durch die Feststellung eines eventuell seit Jahren bestehenden scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnisses können hohe Umsatzsteuerbeträge in Form von Vorsteuerbeträgen gegenüber dem Finanzamt seitens des beauftragenden Unternehmers zahllastmindernd geltend gemacht worden sein. Daher kann es sinnvoll sein, über eine Selbstanzeige gem. § 371 AO Straffreiheit zu erlangen. In diesem Zusammenhang ist auf § 371 Abs.2 Nr. 1a) hinzuweisen. Danach kann grundsätzlich bis zum tatsächlichen Erscheinen des Prüfers in Prüfungsabsicht beim steuerpflichtigen beauftragenden Unternehmer, eine Selbstanzeige erhoben werden.
Der Vollständigkeit halber soll auch auf § 378 Abs.3 AO verwiesen werden. Danach kann für Ordnungswidrigkeiten die Festsetzung einer Geldbuße verhindert werden, wenn die unrichtigen Angaben berichtigt werden bevor dem beauftragenden Unternehmer oder seinem Vertreter die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekanntgegeben worden ist.
Die Verfolgungsverjährung für die Steuerhinterziehung beträgt grundsätzlich gem. 78 Abs.3 Nr.4 StGB 5 Jahre. Kann sich aber gem. § 376 AO in besonders schweren Fällen auf 10 Jahre verlängern.

ee) Umsatzsteuer

Es wird unterstellt, dass die Leistungen, die der beauftragende Unternehmer von dem beauftragten Unternehmer (Scheinselbständigen) bezieht, steuerbar gem. § 1 Abs.1 Nr.1 UStG und nicht gem. § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.
Grundsätzlich ist der Ablauf des Sachverhaltes der, dass der beauftragte Unternehmer (Scheinselbständige) dem beauftragenden Unternehmer eine Rechnung für seine erbrachten Leistungen ausstellt. Damit die Vorsteuer gem. § 15 Abs.1 Nr.1 UStG geltend gemacht werden kann, muss die Rechnung dem Formerfordernis des § 14 Abs.4 UStG entsprechen. Dazu zählt unter anderen ein gesonderter Ausweis des Steuersatzes und des Steuerbetrages. Tatsächlich aber liegen die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzuges beim beauftragten Unternehmer nicht vor. Denn hierzu müsste der beauftragte Unternehmer (Scheinselbständiger) gem. § 2 UStG auch die erforderliche Unternehmereigenschaft haben. Diese hat er aber gerade nicht bzw. nie gehabt. Die Folge ist, dass der beauftragende Unternehmer gem. § 18 UStG immer unrichtige Werte in seiner jeweils bis zum Ablauf des 10. Tages seines Voranmeldezeitraumes versandten Vorauszahlung geltend gemacht hat. Seine Zahllast ist somit immer zu niedrig gewesen, was dem Finanzamt gegenüber die oben dargestellten Folgen auslösen wird.
Zivilrechtlich könnte der beauftragende Unternehmer einen Schadenersatzanspruch gem. § 280 Abs.1 BGB geltend machen, da gem. § 241 Abs.2 BGB der beauftragte Unternehmer (Scheinselbständiger) die Pflicht hat, Rücksicht zu nehmen auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners, vorliegend dem beauftragenden Unternehmer. Der Scheinselbständige darf daher keinen offenen Steuerausweis vornehmen, wenn er hierzu nicht berechtigt ist. Darin bestünde ansonsten seine Pflichtverletzung. Zu beachten ist aber, dass in den überwiegenden Fällen der beauftragende Unternehmer Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat, sodass natürlich auch ihn ein Verschulden trifft, was den Schadenersatzanspruch ausscheiden lässt.

ff) Einkommensteuer

Mit der Feststellung, dass tatsächlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und somit eine Scheinselbständigkeit seitens des beauftragten Unternehmers bestanden hat, ändert sich für den Scheinselbständigen die Einkunftsart von gewerblichen Einkünften gem. §§ 2 Abs.1 Nr. 2, 15 EStG in Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit gem. §§ 2 Abs.1 Nr. 4, 19 EStG. Dies hat Auswirkungen auch für den beauftragenden Unternehmer. Zwar schuldet der Scheinselbständige gem. 38 Abs.2 EStG die Lohnsteuer, der beauftragende und der Scheinselbständige haften jedoch gem. § 42d Abs. 1,3 EStG gesamtschuldnerisch dem Finanzamt gegenüber. Das hätte zur Folge, dass im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des Scheinselbständigen die gesamte Lohnsteuer gem. § 426 Abs.1 BGB von dem beauftragenden Unternehmer beglichen werden müsste. In der Praxis kommt es durchaus häufiger vor, dass aufgrund der dünnen bis gar nicht vorhandenen Kapitaldecke, der Scheinselbständige (Privat-)Insolvenz anmelden muss.
Der beauftragende Unternehmer haftet aber in zeitlicher Hinsicht nicht unbegrenzt. Seine Haftung wird begrenzt durch die Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abs. 2 Nr.2 AO, die 4 Jahre beträgt.

c) Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Das Risiko der „Beauftragung“ eines Scheinselbständigen besteht für den beauftragenden Unternehmer insbesondere in den Folgen der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).
Die Personalstruktur von kleineren Betrieben mit wenigen Angestellten und mehreren scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnissen kann sich bei einer Aufdeckung erheblich verändern. Die ehemals „selbständig“ Beschäftigten sind nun Arbeitnehmer, die zusammen mit den tatsächlich gewollten abhängig Beschäftigten das Recht erhalten können, unter den Voraussetzungen des § 1 BetrVG einen Betriebsrat zu gründen.
Mit dem Wechsel vom „selbständigen“ zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis findet dann auch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung. Danach ist gem. § 1 KSchG eine Kündigung gegenüber dem jetzt abhängig Beschäftigten nicht zulässig, wenn sie sozial ungerechtfertigt und nicht im Verhalten bzw. in der Person des Arbeitnehmers liegt oder betriebsbedingt ist.

d)Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen

Wird der vermeintlich Selbständige gem. § 7 Abs.1 SGB IV als Beschäftigter qualifiziert, ist der Unternehmer nicht Auftrag-, sondern Arbeitgeber. Die Zahlungspflicht ergibt sich aus § 28e Abs. 1 SGB IV. Im Außenverhältnis zu den Sozialversicherungsträgern ist er alleiniger Schuldner des Arbeitgeber-und Arbeitnehmeranteils.
Wird Scheinselbständigkeit festgestellt, tritt die Sozialversicherungspflicht rückwirkend mit Aufnahme der „selbständigen“ Tätigkeit ein.
Die Ansprüche des Sozialversicherungsträgers verjähren gem. § 25 Abs.1 S.1 SGB IV innerhalb von 4 Jahren. Dies hat zur Folge, dass der Auftraggeber rückwirkend für bis zu 4 Jahre bezüglich der Arbeitnehmerbeiträge in Haftung genommen werden kann.
Sollte die Scheinselbständigkeit vorsätzlich und somit auch die Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht abgeführt sein, verjährt der Anspruch des Sozialversicherungsträgers gem. § 25 Abs.1 S.2 SGB IV erst nach 30 Jahren. Somit könnte der Auftraggeber rückwirkend bis zu 30 Jahre in Haftung genommen werden.

2.Scheinselbständiger
a) strafrechtliche Konsequenzen

Der scheinselbständig Tätige kann sich bei vorsätzlicher Absprache mit dem beauftragenden Unternehmer gem. §§ 25-27 StGB einer Beihilfe, Anstiftung oder Mittäterschaft zu § 266a StGB strafbar machen.

 b) Steuerrechtliche Konsequenzen

1.aa) Steuerhinterziehung gem. § 370 AO i.V.m. den Varianten § 25 Abs.2, 26, 27 StGB

Der scheinselbständig Tätige kann eine Steuerhinterziehung gem. § 370 AO durch alle Formen der Täterschaft und Teilnahme (Beihilfe, Anstiftung, mittelbare Täterschaft, Mittäterschaft) begehen[12].
Insoweit wäre eine Steuerhinterziehung vollendet, wenn der Scheinselbständige vorsätzlich entweder im Rahmen eines gemeinsamen Tatplanes oder im Rahmen einer Beihilfe oder Anstiftung an der Tat des beauftragenden Unternehmers mitwirkt.
Fahrlässigkeit reicht in diesem Zusammenhang gem. §§ 26, 27 StGB nicht aus.

bb) Umsatzsteuer

Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die obige Darstellung (3. Teil, 1. B) ee)) verwiesen.
Dem scheinselbständig Tätigen fehlt die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 UStG. Trotzdem wird er dem beauftragenden Unternehmer Rechnungen mit gesondert ausgewiesenem Steuerbetrag ausgestellt haben. Damit wird er gem. § 14c Abs.2 S.2 wie ein Unternehmer tätig, obwohl er keiner ist. Dies hat zur Folge, dass er dem Finanzamt den in der Rechnung separat aufgeführten Umsatzsteuerbetrag auch schuldet[13].
Eine Berichtigung des ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrages ist gem. § 14c Abs.2 S.3 UStG möglich. Voraussetzung ist aber, dass entweder der Vorsteuerbetrag vom beauftragenden Unternehmer noch nicht geltend oder der entsprechende Vorsteuerbetrag an das Finanzamt zurückgezahlt worden ist. Eine solche Berichtigung ist schriftlich dem Finanzamt mitzuteilen.

cc) Einkommensteuer

Mit dem Wechsel der Einkunftsart von ehemals gewerblichen zu solchen aus nicht selbständiger Arbeit, könnten Nachzahlungen an das Finanzamt erforderlich werden. Solche Nachzahlungsverpflichtungen entstehen aus dem unterschiedlichen Umfang, mit dem bei Gewinneinkünften und Überschusseinkünften steuermindernde Aufwendungen geltend gemacht werden können. Auf der gewerblichen Seite die Geltendmachung von Betriebsausgaben gem. § 4 Abs.4 EStG und auf der Seite der nicht selbständigen Tätigkeit die Werbungskosten gem. § 9 EStG.
Das Finanzamt kann nun grundsätzlich die bereits festgesetzten Einkommensteuerbescheide der letzten 4 Jahre gem. § 169 Abs.2 Nr.2 i.V.m. § 172 ff. AO rückwirkend ändern, wobei sich dieser Zeitraum auch noch gem. §§ 170, 171 AO verlängern kann.

c) Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Das arbeitsrechtliche Risiko für den ehemals Scheinselbständigen und nunmehr abhängig Beschäftigten besteht zum Einen in der Frage, ob die Honorarforderungen auch zukünftig noch in gleicher Höhe eingefordert werden können und zum Anderen in der Frage, was mit den bereits erhaltenen und aus heutiger Sicht zu hohen Honorarzahlungen geschehen soll.
Üblicherweise wird das ehemals vereinbarte Honorar höher sein, als das Gehalt eines Angestellten. Der Grund besteht u.a. darin, dass sich die selbständig Tätigen um ihre Krankenversicherung und Altersversorgung selbst kümmern müssen. Zudem werden sie nur für die Zeiten bezahlt, in denen sie auch tatsächlich arbeiten. Das Konfliktpotenzial steckt also in den Differenzbeträgen zwischen der Honorarzahlung und der Höhe des Gehalts eines Angestellten. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu entschieden, dass aus einer vereinbarten Honorierung eines selbständig Tätigen nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden kann, die Parteien hätten auch im Falle einer abhängigen Beschäftigung das gleiche Gehalt vereinbart. Dies bedeutet für den nunmehr als Arbeitnehmer Beschäftigten, dass gem. § 612 Abs. 2 BGB nur noch ein reduzierter Anspruch auf die übliche Vergütung besteht. Dies ist die Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer des Unternehmens oder der Branche erhalten. Der Beauftragte trägt daher das Risiko, im Falle der Feststellung seiner Scheinselbständigkeit, Einkommenskürzungen hinnehmen zu müssen.
Für die bereits erhaltenen Entgeltzahlungen muss der Scheinselbständige mit einem Rückzahlungsanspruch des beauftragenden Unternehmers und jetzigen Arbeitgebers gem. § 812 ff. BGB rechnen. Die Höhe der Rückzahlungsanspruches ergibt sich aus der Differenz zwischen dem gezahlten Honorar und der „üblichen Vergütung“ gem. § 612 Abs.2 BGB.
Im Falle einer bewussten falschen Einordnung als Scheinselbständiger ist vom beauftragenden Unternehmer auch für die Zukunft das volle Gehalt des Scheinselbständigen weiter zu zahlen. Ein Rückzahlungsanspruch für vergangene Gehaltszahlungen entfällt gem. § 814 BGB, wenn der beauftragende Unternehmer von der Scheinselbständigkeit Kenntnis hatte.
Abhängig vom Einzelfall kann als Vorteil der nunmehr abhängigen Beschäftigung festgestellt werden, dass der jetzige Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, einen Anspruch auf bezahlten Urlaub und Kündigungsschutz erwirbt.

d) Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen

Die Risiko für den Scheinselbständigen aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht besteht darin, dass der beauftragende Unternehmer gem. § 28g SGB IV im Hinblick auf die geleisteten Arbeitnehmeranteile einen Regressanspruch gegenüber dem Scheinselbständigen geltend machen kann. Dieser ist jedoch beschränkt auf die folgenden drei Lohn-und Gehaltszahlungen, nachdem der Abzug unterblieben ist. Ein späterer Abzug ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber ohne Verschulden den Abzug nicht vorgenommen hat, wobei leichte Fahrlässigkeit schon ausreichend ist.

Fazit:

Scheinselbständige Beschäftigungsverhältnisse stellen einen Missbrauch des Werkvertragsrechts dar. Ihre Begründung dient vorrangig dem Ziel, keine Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialkassen abführen zu müssen und Tarifverträge zu umgehen.

Scheinselbständigkeit ist kein „Kavaliersdelikt“, sondern stellt unter den beschriebenen Voraussetzungen eine Straftat dar, die insbesondere für den beauftragenden Unternehmer schwerwiegende Folgen haben kann. Aber auch der beauftragende Unternehmer muss mit harten Konsequenzen rechnen, insbesondere, wenn er in Kenntnis der Umstände mit dem beauftragenden Unternehmer zusammenarbeitet (als Täter oder Teilnehmer).

Für die Zukunft sollte zudem mit einer schärferen Regelung seitens des Gesetzgebers gerechnet werden. Die jüngsten Berichte über den Tod zweier Werftarbeiter durch den Brand in einer Massenunterkunft der Papenburger Mayer Werft werden wohl der Stein des Anstoßes sein.

[1] Sprau in Palandt, Einf. v. § 631 Rn. 1.

[2] BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 499/11; BAG v. 20.01.2010 – 5 AZR 106/09.

[3] BSG v. 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R; BSGE 45,199, 200 ff.

[4] BFH v. 20.10.2010 – VIII R 34/08; BFHE 226, 415; 144, 215.

[5] BFH, 02.12.1998 – X R 83/96 und Schmidt ESt-Kommentar §19 Rn.21.

[6] Fuchs/Preis Sozialversicherungsrecht S. 157 f.; Preis, Arbeitsrecht, S.67 f..

[7] TF-§266a Rn. 9.

[8] TF-§ 266a Rn. 23.

[9] AO-Komm. §370 Rn. 123

[10]Ax/Große/Melchior/Lotz/Ziegler, AO und FGO Rn. 3007.

[11] AO-Komm. § 378 Rn. 10.

[12] AO-Komm. § 370 Rn. 13 f.

[13] UStG-Komm. §14c Rn.178.