Können Krankheitssymtome durch Schimmel nachweislich hervorgerufen werden?

Insgesamt ist zu sagen, dass bei etwa 5% der Bevölkerung eine Sensibilisierung gegenüber Schimmelpilzen nachgewiesen werden kann (Mücke und Lemmen 2004 et al., Gabrio et al. 2003, Herr et al. 2010). Sollte die Sensibilisierung bereits vorgelegen haben, ist das Risiko für die Entwicklung von allergischen Symptomen und auch weiteren Sensibilisierungen erhöht. Wie die Autoren Mücke und Lemmen 2004 beschreiben, gehen die gesundheitlichen Effekte von den durch den Schimmelpilz produzierten Mykotoxinen, den sogenannten Mykotoxikosen, aus. Diese sind vor allem durch die Aufnahme mit der Nahrung bekannt. Über andere Infektionswege, wie zum Beispiel den Inhalationstrakt oder die Haut, ist bisher nicht ausreichend viel bekannt. Wie in Zellkultur und Tierversuchen belegt ist, können Mykotoxine zytotoxische Effekte induzieren (Fischer et al, Schulz et al 2004) und auch immunmodulatorische Wirkungen haben (Müller et al. 2002). Jedoch ist zu bedenken, dass die maximal zu erwartenden Konzentrationen einzelner Mykotoxine durch Bioaerosole nicht die zytotoxischen Effekte alleine auslösen können. Im Allgemeinen sind die im Innenraum auftretenden Toxin-Konzentration so gering, dass eine Aussage über mögliche Wirkungen auch selbst bei langfristiger Exposition derzeit nicht möglich ist (Herr et al. 2010).
Zu bedenken ist weiterhin, dass die von den Schimmelpilzen produzierten, flüchtigen Microbial Volatile Organic Compunds zwar die Ursache für den typischen Geruch sind. Jedoch gibt es für eine Behauptung, dass diese ursächlich für Gesundheitsbeschwerden in Frage kommen, keine Belege (Herr et. Al. 2010).Wie Korpi et al. 2009 schreiben, sind die in den Innenräumen gefundenen Konzentrationen so niedrig, dass sie unterhalb möglicher Richtwerte liegen und sich irritative Wirkungen nicht erklären lassen. Außerdem ist hinzuzufügen, dass die Geruchsschwellen deutlich niedriger als ihre toxische Wirkung sind, sodass eine geruchliche Wahrnehmung kein Indiz für eine toxische Gesundheitsgefährdung darstellt (UBA 2002, LGA 2001, 2004). Nicht zu vergessen ist hier auch die subjektive Wahrnehmung der Geruchsbelästigung, die neben einer emotionalen Komponente (Verärgerung) auch eine Interfenzkomponente und eine somatische Komponente mit sich bringen kann (Winneke et al. 1994).
In dem konkreten Fall ist zu konstatieren, dass in der Literatur mehrfach nachgewiesen wurde, dass ein Infektionsrisiko durch in Innenräumen vorkommende Schimmelpilze für gesunde Personen gering ist (Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin 2007, 2008). Welche prädisponinierenden Faktoren hier die Person mit bringt, ist individuell und kann nicht verantwortlich für Symptome verantwortlich gemacht werden. Zu den Risikopersonen zählen unter anderem immunsupprimierte Patienten (LGA 2001, 2004), wie Patienten unter Hochdosiscortisontherapie, Autoimmunerkrankungen, AIDS, Krankheiten aus der Hämatologie/Onkologie, Z.n. Organtransplantation, Z.n. Stammzellspende, etc.. Sollte bei ihrer Mandantin eine der genannten Krankheiten vorliegen, besteht ubiquitär ein erhöhtes Risiko für eine Infektion durch Bakterien, Viren, Pilze und es bedarf entsprechenden Schutzmaßnahmen, die Ihnen ihr behandelnder Arzt aufzeigt.
Bei immunkompetenten Personen wurden spezifischen Symptomen wie Husten, Kopfschmerzen, Rhinitis oder Halsschmerzen nur selten in Zusammenhang mit konkreten Messergebnissen im Innenraum gebracht. Bei sehr hohen Konzentrationen über 2400 KBE Schimmelpilze pro Kubikmeter wurde lediglich vereinzelt von Symptomen der oberen Atemwege beschrieben (Herr et al.). Hier muss also zwingend ein offizielles Messergebnis vorliegen, um überhaupt eine Assoziation infrage stellen zu können. Wichtig zu wissen ist ebenso, dass eine Assoziation zwischen den berichteten Symptomen der der Atemweg und berichteten Feuchtigkeitserscheinungen in der Wohnung durch schwach negative Assoziationen zwischen der Lungenfunktion und dem berichteten Vorkommen von Schimmelpilzen in der Wohnung untermauert ist. Hier sind auch Verzerrungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, da durch weitere Einflussfaktoren mögliche Zusammenhänge vorgetäuscht werden können. Wie Brunnekreef et al. 1992 schrieben, kann es vorkommen, dass Bewohner, die Schimmelpilz wahrnehmen, durch entsprechenden Informationen über deren negative Auswirkungen eher über Beschwerden berichten.
Nicht zu verachten ist, dass bei der Ursachensuche bei Atemwegsirritationen weitere Quellen für Bioaerosole berücksichtigt werden müssen. So ist in der Literatur belegt, dass in einer Wohnung, in den Biomüll separat länger als eine Woche gelagert wird, eine höhere Belastung des Hausstaubs mit mikroorganismenbürtigen Verbindungen (Endotoxine, Extrazelluläre Polysaccharide und Glucane) aufweisen ist. Wie Wouters et al. folgern, besteht ein Risiko für das Entstehen von Bioaerosol-assoziierten Atemwegssymptomen bei Risikopersonen in Räumen mit entsprechend längerer Lagerdauer von Biomüll. Ein Nachweis über die Lagerung von Biomüll ihrer Mandantin hier angezeigt.
Des Weiteren gibt es eine Reihe anderer Expositionen, die Atemwegsbeschwerden verursachen können. Ist ihre Mandantin gegen Hausstaubmilben bereits in den ersten Lebensjahren exponiert gewesen, so führt das ebenso zu einer Obstruktion der oberen Atemwege und den entsprechenden Symptomen (Van Strien et al. 2002). Des Weiteren spielt die Expositionen gegen Tabakrauch, Passivrauchen, Belastung der Außenluft durch Schadstoffe und zum Beispiel Feinstaub und Stickstoffdioxid eine wichtige Rolle (Herr et al.).
Insgesamt lässt sich sagen, dass es bei allergischer Veranlagung gegen Hausstaubmilben, Gräser, Pollen, etc. und deren Expositionen Irritationen der oberen Atemwege auftreten können. Der Ausschluss anderer Allergien muss somit erfolgt sein.
Schimmelpilze wachsen wie oben bereits angedeutet auf Lebensmitteln und auch in Blumentöpfen. Ein Nachweis, dass in der Wohnung aufbewahrte Lebensmittel und Blumen Schimmelpilz frei waren, steht hier Ihrerseits aus.
Die Diagnostik einer durch Schimmelpilz verursachten Gesundheitsgefährdung liegt bisher nicht vor. Es müssen zur Zusammenschau der Befunde mehrere diagnostische Methoden durchgeführt worden sein. Um eine krankmachende Schimmelpilzexposition zu beweisen, bedarf es einer vielschichtigen Diagnostik; eine alleinige Diagnostik reicht hier nicht aus. Da die allgemeinen Symptome und Irritationen der Atemwege multifaktoriell bedingt sein können, bedarf es einer weitreichenden Diagnostik über mehrere Ebenen. Zu unterscheiden ist von einer Basisdiagnostik versus einer weiterführenden Diagnostik. Die Basisdiagnostik umfasst die Nierenfunktion mit Creatinin Cystatin C und Harnstoff sowie die Prüfung der Leberfunktion mittels yGT, Cholinesterase und Bilirubin ebenso wie eine Abklärung der Schilddrüsenwerte. Eine Spiegelbestimmung von Selen und Zink kann Hinweise auf eine rezidivierende Entzündungsreaktion oder eine oxidative Stresssituation geben. Die Radikale, die aus Schimmelpilzen entstehen können, können als Superoxidanionradikale, Wasserstoffperoxyradikale oder Hydroxyradikale auftreten. Wichtig zu wissen ist, dass diese Radikale insgesamt bei Entzündungsprozessen und auch bei sportlicher Anstrengung entstehen. Eine speziellere Untersuchung kann aus der Lymphyzytendifferenzierung T4/T8 entstehen, weil der komplizierte Mechanismus der T4 Zellen an der IgE Aktivierung und Zytokinfreisetzung beteiligt ist. Des Weiteren muss eine Allergie-Testung erfolgt sein, ob es eine Allergie vom Sorttyp oder vom verzögerten Typ vorliegt. Gleichzeitig sind ein Prick-Test oder nasale Provokationstest notwendig um einzelne Schimmelpilzspezies nachzuweisen (Fenner et al.). Neben den medizinischen Untersuchungsverfahren muss aus der Wohnung eine Lufteinsammlung, Probenziehung erfolgt sein, die Schimmelpize nachweisen LGA 2001, 2004). Medizinisch sind alle Differentialdiagnosen zu untersuchen und auszuschließen, um von einer Belastung mit Schimmelpilz sprechen zu können. Direktnachweise des Schimmelpilzes sind über Mirkroskop, Kultur, Nachweis PCR möglich von Blut, Speichel oder Liqour. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass die Ursprünge vielfach sind und auch bei Gesunden der Keim oft nachgewiesen werden kann. Um einen direkten Nachweis zu erhalten, dass die Symptome erst während des Aufenthaltes in der Wohnung, neu aufgetreten sind, muss somit ein negativer Text vor Einzug vorliegen, um eine vorherige Exposition auszuschließen. Des Weitern muss nun ein aktuell positives Ergebnis vorliegen, das jedoch wie oben erläutert ebenso auf einer falschen Lagerung von Lebensmitteln, Biomüll, Blumenerde neben möglicher Immunsuppression gewertet werden muss.
( vgl. hierzu:Fenner T: Labordiagnostische Möglichkeiten bei Schimmelpilzexposition, Umwelt, Medizin, Gesellschaft 23 (2010), 3; 191-194;Fischer G, Thißen R, Hinz RK et al.: Luftgetragene Schimmelpilze in der Umwelt des Menschen- gesundheitliche Relevanz und Möglichkeiten der Risikoberwertung. Gefahrst Reinhalt Luft 65 (2005); 335-340;Gabrio T, Dill I, Fischer G et al.: Ringversuch – Differenzierung von Innenraumrelevanten Schimmelpilzen. Allergologie 26 (2003); 95-102;Herr CEW, Eikmann T, Heinzow B et al: Umweltmedizinische Relevanz von Schimmelpilzen im Lebensumfeld. Umweltmed Forsch Prax 15 (2010); 76-83:Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“: Schimmelpilzbelastung in Innenräumen-Befunderhebung, gesundheitliche Bewertung und Maßnahmen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 50 (2007,2008); 1308-1323;Korpi A, Jarnberg J, Pasanen AL: Microbial volatile organic compounds. Crit Rev Toxicol 39 (2009); 139-193;LGA- Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg: Schimmelpilze in Innenräumen-Nachweis, Bewertung, Qualitätsmanagement (2001, überarbeitet 2004); Eigenverlag Stuttgart;Mücke W, Lemmen C,: Schimmelpilze. In: Wichmann HE, Schlipköter HW, Fülgraff G: Handbuch der Umweltmedizin 2004;Müller A, Lehmann, I, Seiffart A et al: Increased incidence of allergic sensitisation und respiratory diseases due to mould exposure: Results oft he Leipzig Allergy Risk children Study (LARS). Int J Hyg Environ Health 204 (2002); 363-365;Schulz T, Senkpiel K, Ohgke H: Comparison oft he toxicity of reference mycotoxins and spore extracts of common indoor moulds. Int J Hyg Environ Health 207 (2004); 267-277;UBA- Umweltbundesamt: Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, Eigenverlag 2002;Van Strien RT, Koopman LP, Kerkhof M et al: Mite and pet allergen levels in homes of children born to allergic and nonallergic paraents: the PIAMA study. Environ Health Perspect 110 (2002); 693-698;Winneke G: Geruchsstoffe. In: Wichmann HE, Schlipköter HW, Fülgraff G: Handbuch der Umweltmedizin, 1994).